2. Newsletter Betriebliches Gesundheitsmanagement
Legale Suchtmittel sind das größte Problem
Der Suchtmittelkonsum in Deutschland ist nahezu gleich geblieben. Erfolge bei der Reduzierung des Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsums Jugendlicher und junger Erwachsener in den vergangenen 8 Jahren sind zum Stillstand gekommen bzw. haben sich sogar ins Gegenteil verkehrt. Seit 2008, spätestens seit 2010 steigen Alkohol- und regelmäßiger Cannabiskonsum bei jungen Menschen wieder an.
Alkohol – ein Problem insbesondere für Männer
Der Alkoholkonsum ist im Jahr 2010 um 1 Prozent gesunken von 9,7 auf 9,6 Liter reinen Alkohol. Bier ist nach wie vor das meist getrunkene alkoholische Getränk in Deutschland (in Litern Getränke), auch wenn der Verbrauch leicht zurückgegangen ist. Der Weinkonsum ist im selben Maße gestiegen, wie der Bierverbrauch gesunken ist. Der Verbrauch je Einwohner von Schaumwein und Spirituosen ist gleich geblieben.
Die 12-Monatsprävalenz für problematischen Alkoholkonsum liegt bei den 18-64-Jährigen insgesamt bei 21,1%, bei Männern sogar bei 32,4%. Das heißt, ein Drittel der Männer im erwerbsfähigen Alter haben einen riskanten und schädlichen Alkoholkonsum. Sowohl der regelmäßige Konsum als auch die 30-Tage-Prävalenz und die 30 Tage-Prävalenz des Rauschtrinkens steigen in allen Altersgruppen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Bei allen Konsumindikatoren liegen die männlichen Jugendlichen vorn.
Die Ausgaben für die Bewerbung alkoholischer Getränke in den klassischen Werbegattungen sind im Jahr 2010 ebenfalls gestiegen, um 11,5 %.
Medikamente – das nach wie vor unterschätzte Problem
Konservativen Schätzungen nach sind 1,4 – 1,5 Mio. Menschen in Deutschland abhängig von Medikamenten mit Suchtpotenzial. Andere Schätzungen rechnen sogar mit 1,9 Mio. Menschen. Der größte Anteil der Arzneimittelabhängigen stammt aus der Altersgruppe der über 40-Jährigen. Von den arzneimittelabhängigen Frauen sind ca. zwei Drittel sogar über 65 Jahre alt. Etwa 4-5 % aller häufig verordneten Arzneimittel besitzen ein eigenes Suchtpotenzial. Nur vier der 20 meistverkauften Schlafmittel (nach Packungsmengen) haben kein Missbrauchs- oder Abhängigkeitspotenzial. Alle psychotrop wirkenden Arzneimittel, z.B. Benzodiazepine und codeinhaltige Medikamente oder auch Stimulantien, sind rezeptpflichtig. Dennoch wird ein großer Teil dieser Mittel nicht wegen akuter medizinischer Probleme, sondern langfristig verordnet und dient zur Vermeidung von Entzugserscheinungen.
Cannabis und andere illegale Drogen
Deutschland gehört mit geschätzten 4 Konsumenten mit problematischem Drogenkonsum pro 1.000 Einwohner im Alter von 15 bis 64 Jahren zu den Ländern mit einer niedrigen Prävalenz. Cannabis ist nach wie vor die am häufigsten konsumierte illegale Droge in Deutschland. Dies gilt sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene. Die Drogenaffinitätsstudie 2011 gibt für die Jugendlichen eine 12-Monatsprävalenz von insgesamt 4,6 % an, der Epidemiologische Suchtsurvey 2009 für die Erwachsenen etwas mehr, nämlich 4,8 %. Insgesamt ist die Mehrzahl der Konsumindikatoren bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Aufwärtstrend. Kokain und Amphetamine sind bei Erwachsenen stärker verbreitet als bei Jugendlichen. Hier beträgt die 12-Monatsprävalenz bei den Erwachsenen 0,8 bzw. 0,7 % während sie bei den Jugendlichen bei 0,2 bzw. 0,4 % liegt.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten
Das Hauptproblem des Suchtmittelkonsums liegt nach wie vor bei den legalen Substanzen. Die Entwicklungen des Konsums bestätigen die Forderungen der DHS nach effektiven Präventionsmaßnahmen wie Preiserhöhungen, Verkaufsreduzierung und Werbeeinschränkungen. Darüber hinaus müssen in der Prävention die unterschiedlichen Problematiken von Männern und Frauen sowie die soziale Benachteiligung stärker berücksichtigt werden.
(Quelle: DHS)
Mobbing am Arbeitsplatz
Aus dem Mail-Verteiler gerutscht? In der Kantine immer allein, keiner grüßt mehr? Das kann Zufall sein. Oder System mit Übergriffen bis hin zu Rufmord und sexueller Gewalt. Mobbing findet überall statt und ist oft Chefsache. Mobbing macht krank. Aber gegen Mobbing kann man sich wehren.
Der neue Besen kehrt gut - zu gut. "Saustall" ist sein Fazit, nachdem der neue Vorgesetzte die erste Besprechung mit seinem Außendienstteam geleitet hat. Er spricht das Wort laut aus. Monika S. verbittet sich als einzige diesen Ton. So beginnt ihr Leidensweg. Mit ihrem früheren Chef wie mit dem ganzen Team ist die junge Vertriebsingenieurin prima ausgekommen. Nun wird sie täglich zum Rapport zitiert, muss seitenweise jeden Arbeitsschritt dokumentieren. Der Boss rüffelt sie vor versammelter Mannschaft, ruft Kunden an, um sich nach den Projekten seiner Mitarbeiterin zu erkundigen.
Eines Morgens stolpert Monika S. über Umzugskartons in ihrem Büro. Im Wochenrhythmus muss sie fortan das Büro wechseln - und landet in einem als Kopierraum gedachten Kabuff neben der Herrentoilette. Sie schläft schlecht, hat Magenschmerzen, meldet sich oft krank. Ihre Umsatzziele schafft sie schon lange nicht mehr, was ihr böse Bemerkungen einiger Kollegen einbringt. Monika S. Kündigt.
Gewalt in jeder Form
Eine Mobbing-Definition lautet: "Mobbing-Handlungen sind feindliche Angriffe gegen eine oder mehrere Personen, die systematisch und über einen längeren Zeitraum ausgeübt werden, mit dem Ziel, die Betroffenen zu demütigen oder auszugrenzen." Um Kritik oder konstruktives Lösen von Problemen gehe es nicht: Die Angreifer wollen ein auserwähltes Opfer 'eliminieren'. Es verliert dabei mit zunehmenden Attacken immer mehr an Selbstwert und Stabilität.
Seit die US-amerikanische Psychiaterin Carroll M. Brodsky 1976 einen Bericht über "The harassed worker" ("Der drangsalierte Mitarbeiter") veröffentlichte, tauchten vereinzelt Leidensgeschichten aus der Berufswelt in Fachpublikationen auf. In den achtziger Jahren befasste sich der Soziologe Heinz Leymann in Schweden erstmals eingehend mit dem Thema. Über Skandinavien gelangte auch der Begriff Mobbing in die Forschung.
Leymann verstand darunter negative Kommunikation am Arbeitsplatz, also unmäßige Kritik, öffentliche Beleidigungen, Anschreien, Ignorieren von Fragen, Verleumdung bis hin zum Rufmord. Heute wird der Begriff weiter gefasst: Mobber unterdrücken Informationen und fälschen Arbeitsergebnisse, geben sinnlose Anweisungen und stellen unwahre Behauptungen über Fehlverhalten auf. Auch vor Gewalt und sexueller Belästigung schrecken sie nicht zurück.
Nach einer neuen Studie der Freien Universität Berlin ist Mobbing weiter verbreitet als viele meinen - darunter viele Betroffene. Bei einer Online-Befragung von 4300 Beschäftigten im öffentlichen Dienst bezeichneten sich lediglich vier Prozent als Mobbing-Opfer. Dagegen gaben 20 Prozent an, soziale Verhaltensweisen am Arbeitsplatz zu erleben, die von der Wissenschaft klar als Übergriffe eingestuft werden.
Mobbing-Mythen
"Mobbing kann sehr unterschiedliche Formen annehmen, deshalb ist es für die Betroffenen nicht einfach zu erkennen", sagt Jens Eisermann. Der Wirtschafts- und Sozialpsychologe hat die Studie mitverfasst. Ein Mobbing-Indiz ist die Häufigkeit: Die Grenze zwischen Zufall und System wird erreicht, wenn der Täter über einen Zeitraum von sechs Monaten mindestens einmal pro Woche zuschlägt.
Dass bestimmte Menschen zum Opfer geboren sind, gehört zu den Mobbing-Mythen. Dicke, Hässliche, Verschrobene, Unglückliche können ins Beuteschema passen - sie werden aber nicht zwangsläufig ins Visier genommen. "Es kann jeden treffen", sagt Eisermann.
Falsch ist auch, dass das Unternehmen nur wenig Einfluss hat. "Mobbing tritt gehäuft in bestimmten Abteilungen auf, dagegen kommt es in anderen Abteilungen sehr selten vor", hat Eisermann beobachtet. "Damit ist belegt, dass es sich um ein soziales Phänomen in der Organisationsstruktur handelt und die Verantwortung so oder so bei Führungskräften liegt. Krisen im Privatleben der Betroffenen können wir ausschließen, und auch hinsichtlich der Persönlichkeit finden wir keine Hinweise."
Mobbing ist Chefsache
Vorgesetzte, die offen kommunizieren und ihre Mitarbeiter in Entscheidungen einbeziehen, sind das beste Mittel gegen Mobbing, wie die Studie zeigt. Pech nur, wenn der Chef persönlich die Attacken reitet oder wenn er sich nicht um seine Abteilung kümmert. Nach Eisermanns Erkenntnissen ist "in jedem zweiten Fall der Chef der Aggressor - das nennt man Bossing". Zum klassischen Mobbing unter hierarchisch Gleichgestellten komme es in jedem fünften Fall; außerdem gebe es das "Staffing" mit Aggressionen von Untergebenen gegen ihren Chef.
In den meisten Fällen aber sei der Chef in irgendeiner Weise an den Schikanen beteiligt, und sei es, indem er wegsieht und weghört, so Eisermann. Dann hat auch das Unternehmen ein Problem. Und
hohe Kosten dazu. "Ein Mobbing-Fall kostet das Unternehmen nach Schätzungen zwischen 30.000 und 50.000 Euro pro Jahr", sagt Berater Schlund. Angesichts von anderthalb bis zwei Millionen Menschen,
die jährlich in Deutschland gemobbt werden, verliert die Wirtschaft mehrere Milliarden Euro.
Trotzdem wird das Thema gern ausgeblendet, hat Mobbing-Forscher Eisermann erfahren. Als er Kooperationspartner für seine Studie suchte und mehr als 50 Unternehmen und Institutionen ansprach,
stieß er auf "große Zurückhaltung": "Meist geht es um den Schutz des eigenen Images, man will keine schlafenden Hunde wecken." Das hängt auch mit der Angst vor rechtlichen Konsequenzen zusammen.
Anfang dieses Jahres sorgten zwei Arbeitsgerichtsprozesse für Schlagzeilen. Im ersten Fall, verhandelt vor dem Landesarbeitsgericht Hamm, forderte ein Oberarzt eines Krankenhauses von seinem Chefarzt Schadensersatz von 500.000 Euro, weil er jahrelang Mobbing ausgesetzt gewesen und dadurch arbeitsunfähig geworden sei. Beim zweiten Fall vor dem Arbeitsgericht Solingen ging es um 893.000 Euro: So viel wollte eine städtische Angestellte von ihrem Arbeitgeber als Schmerzensgeld für Mobbing durch Vorgesetzte erstreiten.
Raus aus der Opferrolle!
Beide Klagen wurden abgewiesen. In erster Instanz, wie beim Solinger Verfahren, ist das die Regel. Mobbing-Opfer müssen durch mehrere Instanzen gehen, und wenn sie Recht bekommen, erhalten sie ganz selten mehr als 100.000 Euro Schadensersatz oder Schmerzensgeld - aus den USA kennt man ganz andere Beträge.
Doch die Zahl der Mobbing-Klagen wächst auch in Deutschland rasant. "Mobber müssen sich zunehmend darauf einstellen, persönlich zur Verantwortung gezogen zu werden", sagt die Berliner Fachanwältin Erika Schreiber. Ihr Rat lautet: "Wehret den Anfängen." Betroffene sollten nicht darauf warten, dass sich die Situation von allein auflöse, sondern Hilfe suchen bei Frauenvertretungen, Betriebs- und Personalräten, Gewerkschaften und Anwälten. "Kurzum: raus aus der Mobbing-Opferrolle!", so Schreiber. Ebenso müssten Arbeitgeber und Führungskräfte Beschwerden von Betroffenen ernst nehmen, Beweise erheben, Zeugen anhören oder Mobbing-Beauftragte benennen.
Für Monika S. war die Eigenkündigung ein beruflicher Rückschlag, aber kein Knockout. Sie hat eine Stelle in einem kleineren Unternehmen gefunden und verdient zunächst etwas weniger. Dass sie die richtige Wahl getroffen hat, weiß sie aus gelegentlichen Telefonaten mit einer Ex-Kollegin: Ihre Nachfolgerin in der Vertriebstruppe bekommt ebenfalls keinen Fuß auf den Boden, wird ausgebremst und gedemütigt. Und der Mobber-Chef? Der sitzt fester im Sattel denn je.
Burnout bei Führungskräften
Deutsche Manager schuften buchstäblich bis zum Umfallen, in den Unternehmen nehmen die Burnout-Fälle zu. Für viele ist der Stressabsturz immer noch ein Tabuthema. Jetzt zeigt eine Umfrage: Die Leistungsträger fühlen sich bei der Vorsorge von ihren Vorgesetzten im Stich gelassen.
Nach dem Sommerurlaub im vergangenen Jahr merkte Thomas F.*, 48, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Der Vorstandsvorsitzende eines börsennotierten Technologie-Unternehmens fühlte sich kein bisschen erholt. Er erlebte sich als zunehmend reizbar, die Arbeit brachte keinen Spaß mehr.
Nach wenigen Wochen, in denen er "Tag und Nacht voll unter Adrenalin stand", war er ausgelaugt, übermüdet und erschöpft. Hinzu kamen Schwindel und ein Druckgefühl im Kopf, das alsbald zum ständigen Schmerz ausartete. Als sich sein Zustand im Oktober verschlimmerte, googelte Thomas F. nach einer Burnout-Klinik.
Dorthin begab er sich allerdings erst nach einer denkwürdigen Nacht im November: Schweißgebadet hatte sich der Manager im Bett gewälzt. Sein Puls raste seit Stunden auf 170. Und nun setzten Panikattacken ein: eine akute, umfassende Angst, "die er seinem ärgsten Feind nicht wünscht", wie er heute sagt.
Warum hat Thomas F. mit der stationären Behandlung seines Burnout-Syndroms so lange gewartet? Unter anderem deshalb, weil unter Führungskräften das Klischee weit verbreitet ist, das Ausgebranntsein sei eine Art "Ritterschlag" für den Top-Manager. Nach dem Motto: Wer ausgebrannt ist, demonstriert immerhin, dass er wirklich gebrannt hat für den Job.
Doch in Wirklichkeit ist davon wenig zu sehen, wie eine Umfrage des Deutschen Führungskräfteverbands (ULA) belegt. In der Business-Welt ist Burnout tatsächlich meist ein Nicht-Thema. Kaum ein Top-Manager bekennt sich öffentlich. Allein, dass im Zusammenhang mit der Ablösung von Hartmut Ostrowski als Bertelsmann-Chef das böse B-Wort fiel, schien vielen schon eine hinterhältige Attacke. Auch Thomas F. will nicht seinen wahren Namen in den Medien lesen.
Dabei gäbe es bei dem Thema durchaus Gesprächsbedarf, wie auch eine exklusive Untersuchung und ein ausführlicher Report im aktuellen manager magazin zeigt: Die Erkrankungszahlen steigen, allein etwa im ersten Halbjahr 2011 basierte jede siebte Krankmeldung auf Burnout oder Depression. Warum sollte all das ausgerechnet mit den Vielbeschäftigten auf der Führungsebene der Unternehmen nichts zu tun haben?
Immerhin: Gleichgültig lässt die Wirtschaftslenker das Thema nicht. Gerade Führungskräften ist bewusst, dass sie in einer immer dynamischeren und komplexeren Welt, in immer schlankeren Strukturen und mit immer größerem Verantwortungsdruck anfälliger werden für chronische Erschöpfung.
Nur ein Drittel findet die Diskussion übertrieben
Das hat auch Thomas F. verstanden, als er nach gut acht Wochen intensiver Gruppen- und Einzeltherapie zurückkehrte in sein Chefbüro. Der Vorstandsvorsitzende geht weiterhin regelmäßig zur Psychotherapie. Er hat jetzt viel mehr Verständnis für jene Mittelmanager der Firma, die schon vor ihm wegen eines Burnout-Syndroms krankgeschrieben wurden - und ein offenes Ohr für alle Kollegen und Mitarbeiter, die fürchten, es könne ihnen ähnlich ergehen wie ihm.
Auch bei der ULA-Studie betrachteten die rund 360 befragen Fach- und Führungskräfte den Burnout nicht als Modediagnose, sondern als ernstzunehmendes Risiko. So geben mehr als drei Viertel der Befragten an, die Häufigkeit beruflich bedingter Burnouts habe in ihrem Umfeld in letzter Zeit zugenommen. Nur gut jeder Dritte ist der Meinung, die Diskussion sei "übertrieben" oder "überbewertet". Doch führen diese Erkenntnisse nicht zu einem offeneren Umgang mit der Krankheit: Stolze 87 Prozent stimmen der Aussage zu, dass Fach- und Führungskräfte eher dazu neigen, das Burnout-Risiko zu unterschätzen oder zu verharmlosen.
Die Brisanz der Umfrage liegt in der Frage nach den Faktoren, die nach Meinung von Fach- und Führungskräften den Burnout begünstigen: Ganz oben stehen, das mag noch wenig überraschen, "wachsende Arbeitsverdichtung" und "Termindruck". Doch gleich darauf folgt "fehlende menschliche und soziale Anerkennung durch Vorgesetzte" - dies halten die Befragten für deutlich gravierender als etwa "fehlende fachliche Anerkennung".
Angst um den Arbeitsplatz, mangelnde Identifikation mit dem Job sowie "gefühlte oder tatsächliche Unterbezahlung" dagegen werden nur von wenigen Befragten als relevante Ursache für chronische Erschöpfung angesehen. Ganz am Schluss der Liste landen übrigens ethische Bedenken gegen die beruflichen Aufgaben.
Zunahme von Burnout ist eine Folge von schlechter Führung
Die Einschätzungen untermauern, was Arbeitsmediziner und Organisationspsychologen seit langem vermuten: Die Zunahme der Burnout-Erkrankungen ist auch eine Folge schlechter Führung. Nicht Arbeit als solche macht krank, auch nicht in verdichteter oder flexibilisierter Form, sondern ihre schlechte Organisation. Dem Termindruck, vielen Sparvorgaben und dem Drang nach permanenter Effizienzsteigerung können weder Unternehmen (die im globalen Wettbewerb stehen) noch einzelne Führungskräfte (die selbst am Erfolg ihrer Firma ein ureigenes Interesse haben) etwas entgegensetzen.
Was sich aber ändern lässt und zudem deutliche Effekte für die Zufriedenheit im Job und damit direkt für die Zahl der Burnout-Erkrankungen haben dürfte, ist die Kultur eines Unternehmens, insbesondere die Führungskultur. Die Frage also, wie Arbeit verteilt, wie strategische Ziele kommuniziert und wie Leistung bewertet wird. Die Antworten der befragten Fach- und Führungskräfte weisen die Richtung, in die es gehen könnte: Gefordert werden vor allem ein "wertschätzender Führungsstil", aktives Feedback und eine starke Autonomie in der Erfüllung der eigenen Aufgaben.
Zwar sehen sich die Manager durchaus in der Pflicht zur Prophylaxe: 97 Prozent fühlen sich selbst für ihre Gesundheit verantwortlich, mehr noch als Vorgesetzte und Arbeitgeber. Eine bessere Führungs- und Firmenkultur könnte dabei helfen - doch die Hoffnung darauf haben die meisten offensichtlich bereits aufgegeben.
Durchgehend mäßige Beurteilung der Unternehmen
Denn was die Prävention von Burnout, aber auch das Verhältnis von Vorgesetzten zu Mitarbeitern angeht, stellen die Befragten ihren Unternehmen durchgehend mäßige Urteile aus. In Schulnoten ausgedrückt liegen die Einschätzungen überwiegend im Bereich zwischen "befriedigend" und "ausreichend".
So wird das Bewusstsein der Unternehmensleitung über die Grenzen der Belastbarkeit von Fach- und Führungskräften im Schnitt mit 3,7 bewertet; das Bewusstsein des Vorgesetzten für die persönlichen Belastungsgrenzen mit 3,2. Selbst Bereiche, in denen zahlreiche Unternehmen in den vergangenen Jahren mit Seminaren, Check-ups und Prophylaxe-Broschüren mächtig aufgestockt haben, fallen in der Bewertung durch: Sowohl Quantität als auch Qualität betrieblicher Präventionsangebote wie etwa das Gesundheitsmanagement bekommen die Note 3,5 - eine gute Vier. Solange sich hier nichts tut, wird die Zahl der Erschöpften weiter steigen.
*Name geändert. (Quelle: Spiegelonline)
Psychischen Belastungen in der Gefährdungsbeurteilung
Die gegenwärtige Arbeitswelt ist von einem Strukturwandel geprägt, der für eine Vielzahl von Beschäftigten erhebliche Veränderungen im Hinblick auf Arbeitszeit, Arbeitsorganisation und Belastungen am Arbeitsplatz mit sich bringt. Während in der Vergangenheit die Probleme des Arbeitsschutzes primär im Bereich der Unfallgefährdung und der physischen Belastungen wie Lärm, schwere körperliche Arbeiten, Kontakte mit Gefahrstoffen etc. lagen, tritt heute neben diesen Belastungen zusätzlich die Gefährdung von Beschäftigten durch psychische Fehlbelastungen und Stress am Arbeitsplatz immer weiter in den Vordergrund.
Die Gesetzgebung im Arbeitsschutz trägt diesen Veränderungen der Belastungen Rechnung. Die menschengerechte Gestaltung der Arbeit ist, neben den Maßnahmen der Unfallverhütung, ein gleichberechtigtes Ziel im Arbeitsschutzgesetz von 1996. Im Rahmen der Beurteilung von Arbeitsbedingungen hinsichtlich einer möglichen Gefährdung der Gesundheit - entsprechend § 5 des Arbeitsschutzgesetzes - sind insbesondere auch Arbeitsinhalt, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit und Qualifikation der Beschäftigten zu berücksichtigen. Somit sind die auslösenden Faktoren für psychische Fehlbelastungen in Zukunft im Arbeitsschutzhandeln zu berücksichtigen.
Die nachfolgende Handlungshilfe soll einen praxisnahen Einstieg zum Umgang mit den psychischen Belastungen im Arbeitsschutz erleichtern. Im Mittelpunkt steht das Erheben von psychischen Belastungen im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung und die Umsetzung geeigneter Verbesserungsmaßnahmen. Sie wendet sich insbesondere an betriebliche Entscheidungsträger, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte sowie Betriebs- und Personalräte.
Es werden zahlreiche kommentierte Literaturempfehlungen gegeben und im Anhang praktische Arbeitshilfen dargestellt.
Die Handlungshilfe entstand im Rahmen des Projektes "Stressprävention, Flexibilisierung und Nachhaltigkeit - Beispiele guter Praxis bei flexiblen Arbeits- und Erwerbsformen" der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Sie liegt jetzt in der 5., überarbeiteten Auflage vor (ISBN 978-3-88261-633-0).
Termine
Tagung "Psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt: Schnittstellen zwischen Arbeitsschutz, Rehabilitation und Psychotherapie"
Das Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) veranstaltet in Kooperation mit der Bundespsychotherapeutenkammer, der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und dem Geschäftsbereich Versicherungen und Leistungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) eine Tagung, bei der Experten aus der Prävention und der Rehabilitation in fachlichen Austausch mit Psychotherapeuten aus dem niedergelassenen sowie dem Klinikbereich treten können.
Die Tagung soll einen solchen Austausch ermöglichen. Neben Fachvorträgen von Psychotherapeuten sowie Arbeitsschutz- bzw. Rehabilitationsexperten sollen Workshops und Diskussionsgruppen den Austausch anregen. Dabei werden konkrete betriebliche Fragestellung, wie die Gestaltung von Arbeitsbedingungen, die Ansprache betroffener Mitarbeiter und die Wiedereingliederung psychisch erkrankter Mitarbeiter diskutiert.
Das detaillierte Programm der Tagung sowie Informationen zu Teilnahmekosten und das Anmeldeformular befinden sich auf der IAG-Homepage unter www.dguv.de/iag.
Publikationen
Wienemann, Elisabeth; Müller, Patrick (2005)
Standards der Alkohol-, Tabak-, Drogen- und Medikamentenprävention in deutschen Unternehmen und Verwaltungen. Expertise für die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V., Hannover, 2005
Wienemann, Elisabeth; Wartmann, Anja (2011)
Die Rolle des riskanten Alkoholkonsums im Stressbewältigungsverhalten von weiblichen Fach- und Führungskräften: Projektbericht Hannover, 2011
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (2011)
Substanzbezogene Störungen am Arbeitsplatz: Eine Praxishilfe für Personalverantwortliche. Hamm, 2011